Berichte von 08/2023

Sonntag, 27.08.2023

Gedanken zur letzten Woche

Mein Wochenende verläuft dank anstehender Deadlines von der Uni nun doch sehr viel unspektakulärer, als ich mir das eigentlich vorgestellt hatte. Aber ich möchte ja mein Studium langsam mal beenden, also muss ich jetzt noch durchhalten und fleißig meine Prüfungsleistungen bearbeiten. Da ich leider keinen Schreibtisch habe, ist die Arbeit auf dem Bett allerdings auch nicht so richtig motivierend, mal abgesehen davon, dass richtig merke, wie uncool mein Körper das findet. Aber mir bleibt nichts anderes übrig.

Bewegungsmangel

Momentan muss ich sagen, vermisse ich mein Zuhause bisher am meisten. Abgesehen von den Menschen vermisse ich die grünen Wiesen und Pflanzen (auch wenn es natürlich utopisch ist zu denken, die wären Ende August noch saftig grün) und einen grauen Himmel. Ganz abgesehen natürlich vom Essen. Und Bewegung!!! Mir war nicht bewusst, wie krass wenig man sich bei einem 9-5 Job im Büro bewegt! Dazu die Hin-und Rückfahrt im Taxi und dann am besten noch den Fahrstuhl in den ersten oder zweiten Stock nehmen. All das ist absolut gängig bei meinen Kolleg*innen und ich weiß wirklich nicht, wie sie das aushalten. Ich weiß natürlich nicht, wie deren Freizeit aussieht. Ich vermisse vor allem das tägliche Fahrradfahren. Und auch, wenn ich mich als Studentin nun auch nicht suuper viel bewege, erscheint es mir doch um einiges mehr zu sein als nun hier. Fahrrad fahren, zwischendurch was erledigen, von einer Fakultät zur andere laufen usw. Bei meiner Suche nach irgendeinem Ausgleich (denn bei aller Liebe, beim Yoga mache ich ja auch nicht viele Schritte), bin ich auf Youtube auf sogenannte "Walking Workouts" gestoßen. 5000 Schritte in 30 Minuten! Ob das so stimmt, sei mal dahin gestellt, aber es ist tatsächlich eine angenehme Abwechslung zum ständigen Sitzen. Auch auf Arbeit probiere ich ab und zu fünf Minuten auf der Dachterrasse hin- und her zu laufen, wenn ich es gar nicht mehr aushalte. Der Nachteil hier ist halt einfach wirklich die große Hitze. In der geht niemand joggen und einen Nachmittagsspaziergang lässt man dann auch sehr kurz ausfallen.

Zu introvertiert für diese Welt

Letzte Woche hatte ich dann noch ein typisches Drinnie-Problem. Zwei Lerner aus meinem Kurs sind ins Büro gekommen, um ihr Visum für Deutschland entgegen zu nehmen. Ich wusste das nicht und saß mit den Rücken zu ihnen im Büro den Gang etwas weiter runter. Dann habe ich aber ihre Stimmen gehört und wurde mehr und mehr sicher, dass das eben zwei der sehr regelmäßigen Teilnehmenden sein müssten. Doch wie so oft, war ich mir zu 99% sicher und das 1% Unsicherheit hat dazu geführt, dass ich letztlich nichts getan habe. Naja, es stellte sich später noch heraus, dass sie es wirklich waren und als ich sie darauf angesprochen habe, waren sie erstens überrascht, dass ich im Tuniser Büro saß. Scheinbar hatten sie angenommen, dass ich in Deutschland wäre. Und zweitens waren sie dann doch sehr traurig, dass wir uns nicht gesprochen haben...so viel dazu. Es kommen wahrscheinlich noch ein paar der Leute in der kommenden Woche rein und ich gebe mir wirklich Mühe, mein Verhalten dann zu ändern und aktiv auf sie zuzugehen.

180-Grad Wende

Inhaltlich habe ich in der letzten Woche auch auf Nachfrage der Lernenden in meinem Kurs "die deutsche Geschichte" behandelt. Großes Thema und ich war doch etwas überfordert, wie ich das angehen sollte. Letztlich ging es natürlich um das 20. Jahrhundert, also Nazi-Zeit und das geteilte Deutschland. Was es zusätzlich schwieriger machte war, dass ich keinerei Idee hatte, wie viel Vorkenntnisse meine Lernenden diesbezüglich hatten. Bei meiner Recherche, wie ich das ganze auf eine passende Art bespechen kann, bin ich dann auf einen ganzen Themenkomplex getroffen, der sich mit diesem Teil der Landeskunde im DaF Unterricht befasst. Ich fand es so interessant, dass ich nun dabei bin, mein bisheriges Thema für die Bachelorarbeit nochmal komplett über den Haufen zu werfen und etwas zu machen, was ich wirklich interessant finde. Auch dafür ist an diesem Wochenende einiges an Recherchezeit für ins Land gegangen und ich bin noch immer unsicher. Mal gucken, was das noch wird, aber ich habe einfach direkt gemerkt, dass ich das Thema persönlich viiieel interessanter finde, als eine langweilge Fehleranalyse.

Die Sache mit dem Klo

Eine weitere Anekdote noch zum Leben hier und gewissen kulturellen Unterschieden: der Toilettengang. Keine Sorge, es wird nicht zu detailliert :D Gleich am Anfang ist mir natürlich schon der Schlauch neben der Toilette aufgefallen. Dieser wird anstelle von Klopapier benutzt. Und das Klopapier dann qasi nur zum trocknen. Aber glücklicherwiese gibt es sowohl im Büro als auch hier zuhause trotzdem immer Klopapier. Denn an die Idee mit dem Schlau komme ich einfach nicht ran. Diese Woche hab ich einfach mal gegoogelt und dazu dann auch ein Forum gefunden, in dem sich vor allem deutsche Frauen darüber ausgetauscht haben, wie das bei ihren tunesischen Männern denn ist. Es war sehr unterhaltsam zu lesen und die Meinunen gingen auch so vollkommen auseinander, was die Effektivität der Methoden betrifft. Es gab die Tunesier, die sich angepasst haben an europäische Klos, aber auch deutsche Frauen, die auf dieses Gadget auch zuhause nicht mehr verzichten wollten. Mir ist die Idee von einem Bidet oder zu Deutsch Po-Dusche natürlich auch nicht fremd. Aber ich habe festgestellt, dass ich doch lieber bei der mir vertrauten Varante bleibe :D

Achso, noch ein kleines Update bezüglich der Wohnsituation: Ich habe noch nicht mit Hiba gesprochen. Ich hatte sie um ein Gespräch gebeten und sie hat auch zugestimmt, aber mich dann heute doch nochmal auf morgen vetröstet, weil sie noch DInge zu erledigen hatte. Ich berichte in jedem Fall, wenn es neue Entwicklungen gibt.

Ich wünsche euch einen guten Start in die neue Woche und melde mich baldmöglichst wieder!

Freitag, 25.08.2023

Drei Wochen in Tunesien

Gestern war es genau drei Wochen her, dass ich nach Tunesien gekommen bin.
Es ist lustig, jedes Mal ist ea wieder das gleiche, dass ich am Anfang die Tage und Wochen zähle, die ich in einem anderen Land bin. Bis es irgendwann unübersichtlich wird und im besten Fall: unwichtig. Ob mir das hier passiert, weiß ich noch nicht.
Mein Zeitgefühl ist wieder einmal sehr gegensätzlich: auf der einen Seite verging die Zeit doch recht schnell, auf der anderen hat sie sich aber irgendwie auch sehr gezogen...
Mein Zwischenresümee nach 3 Wochen?
Es ist alles sehr, sehr anders, als alles was ich gewohnt bin und bisher kennengelernt habe. Das hat mich am Anfang sehr verunsichert und tut es auch jetzt noch in Situationen, die ich nicht vorhersehen kann. Trotzdem finde ich es super spannend und faszinierend und schon jetzt eine unglaubliche Bereicherung.

Und eigentlich fühle ich mich auch wohl. Uneigentlich gibt es aber Dinge, die ich angehen sollte und zumindest aktiv probieren sollte, sie zu verändern.
Das ist zum einen meine Situation in der Firma. Momentan fühlt es sich eher als unterbezahlter Job an und nicht als Praktikum: ich gebe selbstständig und ohne jegliches Feedback Unterricht und bereite diesen vor. Gestern hab ich darüber tatsächlich mit Hiba reden können und gefragt, ob es möglich ist, auch in weitere Bereiche des Unternehmens Einblicke bekommen zu können. Sie meinte daraufhin, dass dies sowieso der Plan war und die ersten drei Wochen quasi als Einstieg gedacht waren und jetzt nach und nach verschiedenen andere Dinge dazu kommen werden.

Ein zweiter, noch größerer und unangenehmerer Punkt ist die Wohnsituation. So sehr ich Hiba dankbar bin für ihre Gastfreundschaft und ihre Bemühungen mich in Tunesien einzuführen, würde ich mir sehr einen eigenen Platz zum Wohnen wünschen.
Wir sind beides erwachsene Menschen, die normalerweise alleine wohnen und das ja auch aus Gründen. Und letztendlich hätte ich mich nie auf dieses Praktikum eingelassen, wenn ich gewusst hätte, dass ich die drei Monate im Schlafzimmer meiner Chefin wohnen würde. Ich denke, es wäre in unserer beider Interesse, wenn ich meine eigene Wohnung hätte.

Da ich sehr ungern unangenehme Gespräche führe, drücke ich mich jetzt schon eine ganze Weile davor, mit ihr diesbezüglich zu reden. Ich nehme es mir in jedem Fall vor, es dieses Wochenende anzusprechen und hoffe, dass es unser Verhältnis nicht verschlechtert. Im "schlimmsten Fall" bleibt alles, wie es ist. Aber es würde das ganze sicherlich nicht einfacher machen, wenn die negativen Energien zwischen uns überwiegen.

Was die Integration angeht, bin ich weiterhin skeptisch und habe nur noch wenige Erwartungen an die verbleibende Zeit, in Bezug auf Leute kennenlernen und wirkliche Freunde zu finden. Vielleicht gelingt es mir trotzdem, noch Gespräche mit einigen Menschen zu führen. Gerade auch die Gespräche mit meinen Lernenden finde ich sehr interessant, oft reden wir über die Unterschiede zwischen Tunesien und Deutschland und momentan lerne ich auf diese Weise am meisten über Land und Leute.
Meine Arbeit macht mir an sich also tatsächlich Spaß und da auch immer die gleichen Leute am Kurs teilnehmen (im besten Fall so 6-7 von 15), fühlt es sich inzwischen recht vertraut an und wir lachen auch oft gemeinsam.
Wie erwartet finde ich also die Arbeit mit Lernenden, die aus einer intrinsischen Motivation heraus Deutsch lernen wollen, deutlich angenehmer und letztendlich natürlich auch einfacher, als mit Jugendlichen, die mehr oder weniger dazu gezwungen werden.

Ich hätte es nie gedacht, aber nach drei Wochen mit täglich 30 Grad und mehr, freue ich mich jetzt schon auf den Herbst in Westeuropa :D Bei der Recherche für meinen Unterricht, bin ich diese Woche auch über das Thema Herbst in Deutschland gestolpert und dachte mir, dass ich meine Lernenden ja auch auf diese sehr grauen, regenerischen Tage vobereiten muss. Also haben wir Ende August über  die dritte Jahreszeit gesprochen und ich hab mich noch nie so schwärmerisch darüber reden hören :D

Aber diese krasse Hitze ist einfach nichts für mich. Was das Entdecken des Landes (oder zumindest der Stadt) angeht, hoffe ich einfach, dass das auch bei diesen hohen Temperaturen funktioniert...für das bevorstehende Wochenende hatte ich mir wieder einiges vorgenommen, allerdings sollen es 40 Grad werden. Das senkt die Motivation dafür dann doch erheblich.

Mittwoch, 23.08.2023

Rückblick aufs Wochenende

Auch wenn es schon wieder MItte der Woche ist,kommt hier noch ein kleiner Rückblick auf das vergangene Wochenende. Ich war das erste Mal alleine in der Stadt unterwegs. Und lerne mehr und mehr. Zum Beispiel allein in einem Restaurant sitzen und das über einen längeren Zeitraum, ohne ein Laptop oder Buch dabei zu haben.

Gefühle zuzulassen, egal welcher Art sie sind. Ich habe mir ein Notizbuch und Stift gekauft, um meine Gedanken aufzuschreiben. Das erste Mal seit Jahren habe ich wieder konkrete Ideen für kreative Schreibprojekte. Es ist alles im Fluss, bzw. es hat angefangen zu fließen und dafür bin ich sehr dankbar.

Das war eine meiner größten Hoffnungen für diese Monate hier, dass ich die Zeit habe und die Möglichkeit, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Und auch wenn das jetzt extrem egoistisch klingt, ist es doch notwendig. Die Ereignisse und Gefühle der letzten 12 Monate habe ich noch nicht komplett verarbeitet, mir selbst noch nicht vergeben. Und so unangenehm es auch wieder ist darüber nachzudenken, es hilft. Mich selbst zu akzeptieren, die Person, die ich war und die ich auch durch das letzte Jahr geworden bin. So lerne ich, dass ich an erster Stelle in meinem Leben stehe und niemand anderes. Ich kann jetzt leben, ohne mich über meinen Beziehungsstatus zu definieren, allein daraus das Selbstvertrauen zu ziehen. Und so banal diese Erkenntnis auch ist und so selbstverständlich sie sein sollte, sie war es für mich nicht. Und natürlich ist es trotzdem wunderschön zu wissen, dass man geliebt wird, dass da jemand ist, auf dem man sich immer verlassen kann. Aber ich bin gerade von der Zuneigung eines Mannes nicht mehr so abhängig, wie ich es sehr lange war.

Das erste Mal allein unterwegs sein und die Stadt zu erkunden, hat mich aber auch einiges an Kraft und Nerven gekostet. Nachdem ich mich die ganze Woche darauf gefreut hatte am Samstag endlich was zu machen, war ich dann am Samstagvormittag doch wieder etwas überfordert mit allem. Eigentlich hatte ich schon einen Plan, wo ich hinwollte. Dann habe ich im Internet recherchiert, was man dort so machen kann und bin dabei auf andere Sehenswürdigkeiten gestoßen, die auch super interessant sind. Die Konsequenz war dann, dass ich gar nicht mehr wusste, was ich will und kurz vor einem kleinen Zusammenbruch stand mit dem Gedanken, mich doch einfach in meinem Zimmer zu verkriechen. Genau in dem Moment fragte Hiba mich, ob ich Lust hätte, mit ihr einen Kaffee trinken zu gehen. Das habe ich dankend angenommen und ihr dann auch von meinem akuten Problem erzählt. Sie war dann wirklich sehr hilfreich, indem sie mir noch mehr über das Viertel erzählt hat und dann bestimmt drei Mal mit mir die Wegbeschreibung durchgegangen ist, wie ich zu einem bestimmten Café komme, was ich gerne besuchen wollte.

Also bin ich dann ein paar Stunden später (dies war dann allein der Hitze geschuldet) los, habe mir ein Taxi nach La Marsa bestellt. Das wird oft als der europäischste Stadtteil beschrieben, dort leben sehr viele Franzosen und Französinnen, aber auch viele Menschen aus weiteren Ländern. Dort angekommen, bin ich erstmal zum Strand gelaufen. Endlich! Nach zwei Wochen in Tunesien habe ich es dann auch so richtig ans Meer geschafft. Mit den Schuhen in der Hand bin ich ein Stück in der Brandung den Strand entlanggelaufen und war einfach nur glücklich, am Wasser zu sein. Mit ordentlich Hunger bin ich dann einige Zeit später in das Café gegangen. Dritte Etage, Terrasse mit Meerblick. Die Location ist auf jeden Fall traumhaft. Nun kam dann aber auch die Herausforderung. allein zu bestellen, zu sitzen, zu bezahlen.

Die bekannten Vorgänge im Restaurant wurden für mich dann doch herausfordernder als gedacht. Angefangen beim Service. Es gab Kellner, also nahm ich an, ich würde am Platz bedient werden. Nach 10 Minuten warten, bin ich rein und habe einen Kellner gefragt, wie das hier läuft. Er hat mich nicht ganz verstanden, gesagt, ich könnte beim ihm bestellen. Nachdem ich noch eine Menükarte erfragt hatte, stand ich etwas unangenehm mitten im Raum und habe die Karte gelesen, der Kellner zwei Meter von mir entfernt. Auch deshalb habe ich einfach das erstbeste genommen, was mich angesprochen hat, hab schnell bestellt und geschaut, dass ich rauskomme, wieder an meinen eigentlichen Platz. Danach hat alles so weit geklappt (ich hab dann beobachtet, dass man sehr wohl am Tisch bestellen kann, wenn denn ein Kellner sich dazu bequemt, in die Nähe zu kommen). Ich saß eine ganze Weile dort, hab beim Essen wieder gemerkt, dass mein Magen noch nicht so richtig gut ist und mir einfach Zeit gelassen. Die nächste Herausforderung war das Bezahlen. Meine bevorzugte Strategie ist es ja, einfach zu schauen, wie andere das machen und dann nachmachen.  Nur hat es eeewig gedauert, bis ich das mal beobachten konnte.

Übrigens muss ich hier auch oft daran denken, dass man ja über Deutsche sagt, dass sie viel und gerne starren…ich glaube, ich habe das Klischee absolut bestätigt in diesem Fall :D aber es war mir egal, ich wollte um jeden Preis eine nochmal so unangenehme Situation mit dem Kellner vermeiden. Ja, ich weiß, es sollte mir egal sein, was fremde Menschen über mich denken…es ist es leider nicht und daher mein sehr passives Verhalten. Bis ich dann beobachten konnte, dass man rein geht und am Tresen bezahlt. Das habe ich dann auch schnell getan und bin wieder zum Wasser. Am Strand habe ich dann noch den Sonnenuntergang angeschaut und in mein frisch gekauftes Notizbuch geschrieben. Sehr glücklich bin ich dann am Abend wieder zurückgefahren.

Mein Sonntag war dann wieder sehr, sehr unspektakulär und geprägt von ausschlafen, arbeiten und telefonieren.

 

 

Freitag, 18.08.2023

Fastfood und Herausforderungen

In den zwei Wochen, in denen ich jetzt hier bin, durfte ich schon einiges an tunesischen Spezialitäten probieren. Natürlich immer abgewandelt, denn eigentlich ist überall immer Tunfisch drin. Gleichzeitig hat sich essen überhaupt für mich persönlich zu einer nie da gewesenen Herausforderung entpuppt. Doch der Reihe nach.

Tunesische Fast Food Spezialitäten

An meinem ersten Wochenende hat mir Hiba am Samstag die Altstadt von Tunis gezeigt und ich durfte gleich drei verschiedenen Fastfood-Spezialitäten probieren. Das Schöne ist, dass die Sachen vor deinen Augen ganz frisch zubereitet werden. Somit ist es auch kein Problem, extra Wünsche anzugeben, in meinem Fall also keinen Thunfisch (ich habe übrigens nachgeschaut: beide Schreibweisen mit und ohne h sind richtig 😉) hinzuzufügen. Als erstes durfte ich Fricassé probieren. Das Foto wird dem Essen nicht wirklich gerecht, es ist wirklich ziemlich lecker. In meinem Fall war es ein frittierter Teig, der gefüllt ist mit Kartoffelbrei, Harissa, gekochtem Ei und Oliven. Es ist sehr lecker, aber durch das so typische Harissa für mich einfach schon grenzwertig scharf.

Am gleichen Stand habe ich dann noch das erste Mal Brik gegessen. Dies ist eine sehr beliebte Vorspeise. Es ist eine Art Dreieck, aus ganz dünnem, frittiertem Teig. Dieser ist gefüllt mit normalerwiese Thunfisch, gekochtem Ei, Kapern und Petersilie. Bevor man es isst, wird es mit frischem Zitronensaft beträufelt. Ebenfalls sehr lecker und für meinen nicht an Schärfe gewöhnten Körper auch deutlich besser auszuhalten.

Spezialität und eine Art Grundnahrungsmittel zugleich ist das schon erwähnte Harissa. Das ist eine Paste (sieht für den Laienblick aus, wie Tomatenmark), die aus Chilischoten und Knoblauch hergestellt wird und wirklich für alles und jedes Gericht benutzt wird. Es bildet eine Art Grundlage für die tunesische Küche und die Menschen sind dementsprechend stolz darauf. Erinnert mich manchmal von der Art zu schwärmen ein bisschen daran, wie Deutsche über deutsches Brot reden :D Also definitiv ein Kulturgut. Passenderweise spreche ich gerade mit meinen Lernenden auch über Essensgewohnheiten und Gerichte. Sie alle werden im September Tunesien Richtung Deutschland verlassen und es ist klar für sie, dass mindestens ein Päckchen Harissa im Gepäck nicht fehlen darf.

Aber zurück zu meinem Fastfood Marathon an besagtem Samstag: Nachdem einige Zeit vergangen war (denn Fricassé und Brik direkt hintereinander sind doch ziemlich füllend), gab es dann noch etwas anderes. Cassecroute ist ein Stück Baguette, gefüllt mit Ei (ja, das ist hier sehr beliebt), Pommes, Salat und Harissa. Normalerweise dann auch noch mit Tunfisch dazu. Auch das ist sehr lecker, aber ebenso reichhaltig, wie die Dinge davor. Ihr ahnt es, an diesem Tag musste ich dann nichts weiter mehr essen.

Essen als Herausforderung

Wer mich kennt, der weiß, dass ich essen und kochen sehr liebe. Zu meinem eigenen Bedauern, war ich noch nie ein Mensch, der gut Mahlzeiten ausfallen lassen konnte.

Hier ist irgendwie alles anders. Zum einen hat mein Körper echte Probleme mit der Schärfe von einfach allen Gerichten. Mein Mund ist regelmäßig am Brennen und das ist irgendwann echt nicht mehr spaßig. Zum Glück wird immer viel Brot dazu serviert, trotzdem muss sich mein Organismus da noch sehr dran gewöhnen.

Zum anderen ist meine anfängliche Überforderung, was ich denn dann jetzt für mich selbst kochen kann, noch immer nicht ganz weg. Dazu kommt der Zeitfaktor. Ich schaffe es momentan noch nicht, regelmäßig an einem Tag zu essen. Und so ist es insgesamt auch noch immer viel weniger, als ich normalerweise zu mir nehme.

Das Frühstück hier besteht (zumindest, wenn ich mit Kolleginnen ins Café gehe) aus Pain au Chocolat und einem Café Americain, also schwarzer Kaffee mit Zucker. Da es eben nicht üblich ist, pflanzliche Milchalternativen anzubieten, muss ich auf meinen geliebten Cappuccino verzichten und trinke mehr aus der Not heraus (also v.a. wegen des Koffeins) schwarzen Kaffee. Nun ja. Delikat geht anders, aber wenn man das Schokobrötchen rein tunkt, ist es ganz erträglich :D

Diese Spirale aus zu wenig essen hat sich in der jetzt vergangenen Woche immer weiter zugespitzt: ich hatte immer mehr mit Übelkeit zu tun, ohne zu wissen, ob Nahrung jetzt noch helfen würde oder nicht, um den Zustand zu verbessern. Am Mittwoch fand das Ganze dann in Kombination mit wahnsinnigen Kopfschmerzen seinen traurigen Höhepunkt und ich musste mich mehrmals übergeben. Seitdem bin ich noch vorsichtiger, was ich esse und probiere es gleichzeitig wieder regelmäßiger zu tun.

 BrikFrühstück

Brik, Fricassé, Pain au Chocolat                         

Donnerstag, 17.08.2023

Kleines Update

Jetzt ist doch deutlich mehr Zeit vergangen seit meinem letzten Eintrag, als ich mir das eigentlch vorgestellt habe. Gründe dafür sind einmal die Tatsache, dass ich mit dem Leben als Vollzeitarbeitende erstmal klar kommen muss und damit gerade am  Anfang der Woche sehr gestruggelt habe. Zweitens ging es mir jetzt ab Mitte der Woche rein körperlich alles andere als gut, aber das ist nochmal eine andere Geschichte.

Hier also erstmal ein kleines Update, was in der Woche bisher passiert ist.

Am wichtigsten ist vielleicht die Tatsache, dass ich seit letztem Samstag meinen eigenen Schlüssel habe und Hiba noch einmal ausdrücklich betont hat, dass ich natürlich ein eigenständiger Mensch bin und es quasi nur die Idee war, dass sie mich die erste Zeit etwas "an die Hand" nimmt. Vergangene Woche Donnerstag und Freitag bin ich schon (sehr aufgeregt) jeweils allein mit dem Taxi früher zurück nach Hause vom Büro, was natürlich einwandfrei geklappt hat. Ab Samstag war ich dann also vollkommen frei und damit dann auch erstmal ziemlich überfordert. Nach einigem hin und her überlegen, hab ich mich dafür entschieden, erstmal kleine Schritte alleine zu machen. Mein Highlight des Samstags bestand dann darin, alleine zum Supermarkt zu gehen.

Tunesische Supermärkte

Ich liebe es ja, in anderen Ländern in Supermärkte zu gehen und verbringe da die ersten Male auch immer viel zu viel Zeit drin, weil ich mir alles in Ruhe anschauen will und es einfach super spannend ist, was es für Unterschiede gibt und was gleich ist.

Hier sind die Unterschiede relativ offensichtlich. Die Obst- und Gemüseabteilung ist im Vergleich zu westeuropäischen Supermärkten wirklich klein. Was aber vor allem daran liegt, dass wohl hauptsächlich lokal angebaute Produkte ihren Weg in den Laden finden, was natürlich sehr lobenswert ist. Als verwöhnte Westeuropäerin allerdings trotzdem etwas gewöhnungsbedürftig. Denn Bananen gibt es beispielsweise scheinbar nur sehr selten, ich habe noch keine gesehen, geschweige denn gekauft.

Ansonsten sind es natürlich sehr viele Produkte die ich gar nicht kenne oder einfach ein Pendant zu Dingen, die bei uns anders heißen. Internationale Produkte sind wenig zu finden und wenn dann sehr teuer. Ein kleiner Laden in der Nähe des Büros verkauft Hafermilch für 12400 Dinar. Das sind umgerechnet knappe 4 Euro.

Vorurteile

Abgesehen von meinem Supermakt-Erlebnis war mein Wochenende aber sehr unspektakulär. Ich hatte mi offen gelassen, ob ich mich auf dem Weg nach Hause noch in ein Café setze, indem ich bereits zwei Mal mit Hiba gewesen bin. Dieses war dann voll mit ausschließlich Männern, was dann der Grund war, weshalb ich weitergegangen bin und mich nicht hingesetzt habe.

Hier bin ich dann aber doch sehr nachdenklich geworden. Was war es jetzt genau, was mich abgeschreckt hat, dort reinzugehen? Die Tatsache, dass es nur Männer waren oder dass es (logischerweise) arabische Männer waren. Denn meine negativen Erfahrungen in Deutschland sind einfach hauptsächlich mit arabischen Männern entstanden (und das jetzt nur in Bezug auf ähnliche Situationen im Gastgewerbe). Hätte ich mich also genauso unwohl gefühlt, wenn es offensichtlich europäische Typen gewesen wären? So ganz hab ich es noch immer nicht gelöst, aber in Europa kommt es für mich persönlich sehr auf das Klientel an. Ich würde mich auch in Deutschland nicht in eine rauchige Eckkneipe setzen, oder mir neben einer Gruppe Bauarbeiter einen Platz suchen.  Aber in nem hippen Café, wo vielleicht zufällig gerade nur Typen sitzen, vielleicht schon...(?) Naja. Ich weiß es nicht. Das mit den Vorurteilen ist ja genau eine Motivation für Tunesien gewesen. Ich bin gespannt, wie und ob ich mich da weiterentwickle...

Weiterhin war mein Wochenende wirklich absolut unspektakulär: Ich war mit Arbeiten für die Uni beschäftigt und habe viel mit lieben Menschen aus der Heimat telefoniert. Also nein, Stadt erkunden sieht anders aus, aber irgendwie habe ich mich insgesamt einfach noch nicht wohl und selbstsicher genug dafür gefühlt.

Das Gefühl, wieder ein Kind zu sein

Für die Woche habe ich mir dann vorgenommen, mehr und mehr alltägliche Dinge zu machen und so sicherer zu werden. Es fühlt sich ein bisschen an, wie wenn man als Kind die ersten Dinge alleine erledigen durfte. Alles ist neu und man kennt die Abläufe nicht, weiß nicht genau, was einen erwartet.

Inzwischen fühle ich mich schon deutlich routinierter in vielen Dingen und habe mir für das Wochenende vorgenommen, die Stadt ein wenig allein zu erkunden.

So viel für heute. Im nächsten Post möchte ich unbedingt über das Essen hier schreiben, denn da gibt es auch schon so einiges zu berichten! Ich bin wie immer dankbar für jegliches Feedback sowie Anregungen o.ä. :)

 

Sonntag, 13.08.2023

Kauderwelsch und Einsamkeit

Verständigung

In Tunesien spricht man Tunesisch (eine besondere Mischung aus Arabisch und Französisch) und die Amtssprache ist Französisch. Jede*r spricht also schon mal mindestens zwei Sprachen, viele jüngere Leute auch Englisch.

Meine Kommunikation auf Arbeit findet (außerhalb meiner Kurse) auf Englisch statt.

Mit meiner Kollegin Souleima würde ich gerne eine Art Tandem bilden, denn sie lernt Deutsch und ich Französisch und ich glaube, unsere Level sind ungefähr gleich ,sodass das Gefälle auch nicht zu groß ist. Nur ist es schwierig, die Sprache tatsächlich zu sprechen.
Vor allem wird das Kauderwelsch an Sprachen in meinem Kopf dann noch größer, als es ohnehin schon ist. Mit Englisch, Deutsch und Niederländisch konstant in meinem Kopf ist es schon herausfordernd genug. Wenn Französisch noch hinzu kommt habe ich das Gefühl, mein Gehirn ist vollkommen überfordert. Natürlich ist es eine Sache des Übens und ich hoffe noch immer, dass sich mein Französisch in der Zeit hier doch verbessert oder zumindest festigt. Mal schauen, was die Zeit so bringt. Abgesehen davon, ist es natürlich auch super spannend, noch ein bisschen Tunesisch zu lernen. Ein paar wenige Wörter kann ich schon, traue mich aber oft noch nicht sie zu benutzen.

Es ist irgendwie sehr interessant, die ganze Zeit mit einer Sprache umgeben zu sein, von der ich (wenn es gut läuft) alle paar Sätze mal ein Wort verstehe, weil es auf Französisch ist.
Oft hab ich keinen blassen Schimmer worüber die Menschen reden, anhand von Intonation und eventuell Gestik ist zumindest abzulesen, wie ernst oder lustig es gerade ist.
So gerne ich auch Menschen beobachte und mir überlege, worum es gerade gehen könnte, wird mir wieder einmal bewusst, wie wichtig das Beherrschen einer Sprache für die Integration ist. Ich fühle mich sehr an meine ersten paar Wochen in Holland erinnert, wo es ähnlich war (aber da habe ich zumindest das meiste verstanden und konnte nur nicht sprechen).

Ausgeschlossen

Das Nicht-Beherrschen einer Sprache exkludiert eine Person aber auch direkt von jeglicher sozialer Interaktion. Momentan wird mit mir im Büro nur Englisch gesprochen, wenn ich direkt angesprochen werde, ansonsten unterhalten sich meine Kolleg*innen auf Tunesisch. Was natürlich ihr gutes Recht ist und ich keinesfalls verurteile. Für mich wird das Nichtbeherrschen der Sprache genau dann zum Problem, wenn es eine Situation wie am Freitag ist. Wir hatten Mittagspause und gingen mit mehreren Leuten aus dem Team in ein Restaurant. Obwohl ich also die ganze Zeit von Menschen umgeben war, habe ich mich selten in dieser Woche so einsam gefühlt, wie in diesem Moment. Offensichtlich saß ich in einer geselligen Gruppe am Tisch. Praktisch fühlte ich das unangeneheme Gefühl der Einsamkeit in mir hochkriechen, da ich kein Wort verstand. Ja, ich beobachte gerne und spekuliere ,worüber es gehen könnte. Aber auch nur bis zu nem bestimmten Punkt, dann ist es einfach nur noch frustrierend für mich und mein Gehirn schaltet ab.

Wie so oft bin ich unsicher, ob und wie ich das thematisieren kann. Denn ich erwarte natürlich auch nicht, dass jegliche Gespräche auf Englisch geführt werden, sobald ich dabei bin. Aber so wie es jetzt isr, funktioniert die Integration ins Team meiner Meinung nach eben nur bedingt. Wenn ihr Tipps habt, wie ich damit umgehen könnte, freue ich mich sehr...

Auf der Suche nach Geselligkeit

Ein anderer Aspekt der Einsamkeit ist natürlich die Tatsache, dass ich bisher auch keinen Menschen kenne, abgesehen von meinen Arbeitskolleg*innen. Daher habe ich mich heute auf die Suche im Internet begeben und meinen guten alten Facebook-Account mal wieder benutzt, den ich genau für solche Zwecke dann doch noch nicht gelöscht habe.

Wirklich fündig geworden bin ich nicht. Also ja, ich bin jetzt Mitglied einer Gruppe, die sich "Deutsche Frauen in Tunesien" nennt, genauso wie von einer andere internationalen Gruppe. Es giibt auch verschiedene Events, auf die ich mich dann im nächsten Schritt natürlich allein trauen müsste. Mal schauen. Weiterhin habe ich mir die Website des hiesischen Goethe-Instituts angeschaut und habe mir vorgenommen, mal auf ein von denen organisiertes Event zu gehen. Das scheint mir schon rein professionell gesehen, einen Versuch wert zu sein.

Alles andere bringt sicher die Zeit. Und ansonsten werde ich einfach auch Dinge allein unternehmen. Aber mit lieben Menschen ist es natürlich immer schöner und würde ich mch gerade momentan auch noch sicherer fühlen :)

Freitag, 11.08.2023

Meine Arbeit

Meine erste "richtige" Arbeitswoche ist um und daher nutze ich die Gelegenheit, um etwas über meine Arbeit hier während des Praktikums sowie die Firma zu erzählen.

Die Firma

Advanzioo gehört zur Medica-Gruppe, und zusammen mit Jobzioo ist es eine Art Vermittlungsagentur für momentan vor allem tunesische Fachkräfte oder auch zukünftige Azubis, die nach Deutschland kommen wollen. Das passiert in unterschiedlichen Bereichen, wie z.B. Pflege, Physiotherapie oder auch technischen Berufen, also im Grunde überall dort, wo es in Deutschland an Fachkräften mangelt.

Das Team

Das Team hier in Tunis besteht aus meiner Chefin Hiba und insgesamt sieben Mitarbeitenden (oder zumindest ist das die Anzahl, die mir bisher bekannt ist). Die Atmosphäre ist super entspannt, es wird oft laut Musik gehört, zwischendurch gemeinsam eine (u.U. recht lange) Kaffepause gemacht oder was zu essen bestellt für alle die wollen. Heute sind wir bespielsweise auch in ein Restaurant gefahren, wodurch die Pause dann natürlich auch etwas länger dauerte als normal. Es ist eine sehr freundschaftliche Atmosphäre, da sich die meisten auch schon recht lange kennen und so wirkt der Umgang miteinander sehr vetraut. Auch außerhalb der Arbeitszeit wird ab und zu was zusammen gemacht: Aktuell ist die Idee, dass wir alle zusammen "Oppenheimer" im Kino schauen. Aber bei so vielen Menschen ist es natürlich doch sehr schwierig, einen Termin zu finden, an dem alle können. Auch wenn ich den Film schon gesehen habe, werde ich mir dieses Erlebnis auf jeden Fall nicht entgehen lassen :)

Meine Aufgaben

Durch meinen Hintergund mit Deutsch als Fremdsprach liegt mein Fokus jetzt auch erstmal auf den "klassichen" DaF-Inhalten. Ich habe einmal täglich momentan einen dreistündigen Konversationskurs mit zukünftigen Auszubildenden, die Ende August schon nach Deutschland ausreisen. Da die Lernenden verschiedene Sprachniveaus (alle irgendwo zwischen B1.1 und B2.1.) haben, ist die Idee, dass ich mit ihnen vor allem das Sprechen übe und wir dabei mögliche Alltagssituationen in Deutschland thematisieren.

Der Kurs findet online statt, da die Leute überall in Tunesien verteilt leben und daher nicht unbedingt vor Ort in Tunis sein können. Was ich sehr irritierend finde ist die Tatsache, dass die Lernenden von auch vorherigen Kursen der Firma nicht gewöhnt sind, ihre Kameras anzuhaben während des Unterrichts. Nach einer Woche Unterricht hbaben wir uns inzwischen auch etwas kennengelernt, aber ich finde es total komisch, dass ich keinen meiner Lernenden auf der Straße oder wenn sie ins Büro kommen, erkennen würde. Abgesehen davon, ist es ab und zu doch immer noch verunsichernd, wenn ich eine Frage stelle und einfach keine Reaktion kommt und ich vor dem Bildschirm sitze und mich frage, was genau gerade das Problem ist. Die Frage oder hat nur keiner Lust zu antworten? Dass der Kurs tatsächlich nicht der aktivste ist und viele gefühlt darauf warten, dass wer anders was sagt, trägt nicht gerade dazu bei, die Situation zu verbessern.

Das Thema, was mir diese Woche am meisten Spaß gemacht hat, war die Rubrik "Verkehr" gestern. Wie bereitet man Migrant*innen am besten auf alle Eventuailtäten beim Reisen mit der Deutschen Bahn vor? Einige hatten bereits davon gehört, dass es wohl manchmal Probleme gibt. Am besten fand ich den Kommentar: "Komisch und dabei sind die Deutschen doch so bekannt dafür, dass sie immer pünktlich sind." Wenn man es so betrachtet, wirkt das ganze tatsächlich noch etwas absurder. Auch gefallen hat mir das Tabu spielen, wo viele doch endlich etwas aufgetaut sind und es eine sehr lustige Runde war. Weiterhin bin ich Fan von einer Mini-Serie des Goethe-Institus geworden. Von "Ticket nach Berlin" schauen wir jeweils zwei Folgen à 5 Minuten pro dreistündiger Sitzung und allein der TItel der Serie verrät schon, wieso ich die mag :D Man lernt viele Dinge über unterschiedliche Regionen in Deutschland und ich finde es als kleine Entspannungen zwischendurch echt gut geeignet.

Meine zweite Aufgabe ist es momentan mögliche Kandidat*innen für eine Ausbildung bei einem großen Betrieb in Deutschland für ihr Bewerbungsgespräch zu coachen. Das habe ich diese Woche von Dienstag bis Donnerstag jeweils zwei Stunden pro Tag gemacht. Die Gruppe bestand ausschließlich aus jungen Männern und war schon mal deutlich engagierter, als mein Konversationskurs. Sie alle haben in zwei Wochen ein Bewerbungsgespräch bei einer goßen deutschen Firma. Diese ist Partner von Jobzioo und sucht so aktiv nach neuen Azubis in technischen Berufen. Mit dieser Gruppe habe ich vor allem typische Fragen eines Vorstellungsgesprächs ausführlich geübt, sodass sie hoffentlich für alles gewappnet sind, was sie gefragt werden könnten.

Fazit dieser Woche: Ich bin mir bewusst, dass ich einfach eine billige Arbeitskraft bin und das auch gut genutzt wird aus Sicht des Unternehmens. Auf der anderen Seite will ich ja auch Erfahrungen sammeln und mache das ganze daher ja in jedem Fall gerne. Fünf Stunden Onlineunterricht mit einer halben Stunde Pause zwischendurch ist aber einfach zu viel. Nach den Tagen bin ich absolut tot und könnte direkt zuhause ins Bett fallen. Meine Kollegin Souleima hat so schön gesagt: "Ich find these 9-5 jobs very time consuming". Recht hat sie. Diese Woche war natürlich auch sehr speziell, weil Hiba mir noch an zwei Abenden weiter die Stadt gezeigt hat. Was auch super schön war und vielleicht genau das richtige. Denn ich schaffe nichts mehr, wenn ich zuhause bin. Meine Nachhilfe, die ich ursprünglich weiterlaufen lassen wollte einmal die Woche, musste ich jetzt abgeben, da ich die Zeit dafür einfach nicht mehr habe. Meine noch offenen Prüfungsleistungen sowie meine Bachelorarbeit, die weiter vorbereitet werden will, habe ich seitdem ich hier bin kein einziges Mal mehr angerührt. Ich probiere mich zumindest wieder zum Yoga zu zwingen abends, um zumindest auch mal irgendeine Bewegung zu haben, da ich doch den ganzen Tag nur sitze.

Ich bin in jedem Fall sehr gespannt auf die kommenden Wochen und was diese so bringen werden. Und jetzt erstmal sehr dankbar, dass Wochenende ist.

Dienstag, 08.08.2023

Ein Alien unter Fleischfressenden

Auch wenn nicht mal eine Woche hier bin, sind mir schon einige große Unterschiede aufgefallen. Ob man sie jetzt Kulturunterschiede nenen sollte, weiß ich nicht genau. Es hat definitv auch mit der Mentalität und einfach grundsätzlich verschiedenen Vorraussetzungen zu tun.

Ich muss zugeben, mit meinem Vegetarismus und der Narkolepsie hinterlasse ich sicher nicht den vorteilhaftesten Eindruck von "Europäer*innen" in meinem Umfeld. Aber der Reihe nach.

Die Tatsache, dass ich kein Fleisch esse, war und ist der absolute Schocker. Damit fühle ich mich wie ein Alien. Zuhause wäre ich von den anhaltenden Kommentaren und dem Unverständis über diese Tatache schon längst extrem genervt gewesen. Hier gebe ich mir Mühe, es nicht zu sein, auch wenn es schwer fälllt. Lustig und nervig zugleich sind auch die anhaltenden Nachfragen: "Achso, du isst ja kein Fleisch...aber was ist denn mit Hühnchen? Sicher, dass du den Thunfisch nicht probieren willst?" Ja, ich bin sicher. Dass ich mich zuhause normalerweise zu 90-95% der Zeit vegan ernähre, habe ich lieber nicht erwähnt.

Eine andere regelmäßige Frage ist dann: ja, was ist du denn dann, wenn du kein Fleisch isst? Komplett perplex und eingschüchtert, habe ich mich das dann auch beim ersten Besuch im Supermarkt gefragt. Was esse ich denn, wenn es mein "Grundnahrungsmittel" Tofu nicht gibt? Ich stand komplett auf dem Schlauch und hab auf Hiba vetraut, die mit guter Absicht ein paar Hülsenfrüchte für mich eingepackt hat. Ich werde hier als Expertin für Salate gehalten, denn viel anderes bleibt mir aus deren Sicht nicht wirklich übrig...nur bin ich das definitv nicht :D Inzwischen ist mir zwar wieder einiges eingefallen, aber die Möglichkeit und vor allem die Lust, groß zu kochen, fehlt mir momentan sehr.

Ein zweiter Aspekt ist natürlich meine Narkolepsie. Also die Tatsache, dass ich eine Art Dauermüdigkeit habe, die mich immer und überall einschlafen lässt. Auch hier ist meine Geduld mit Menschen, die sich darüber weiterhin lustig machen, normalerweise sehr schnell am Ende. In diesem Fall probiere ich auch hier, etwas toleranter zu sein. Nachdem ich Hiba am Freitag bereits von meiner Krankheit erzählt habe, aber auf eine "non-chalante" Art, so halb nebenbei, hab ich das Gefühl, dass es noch nicht klar geworden ist, dass das erstens eine "richtige" Krankheit ist und zweitens eben genau dazu führt, dass ich an random Orten und Zeiten einschlafe. Gerade auch, wenn ich über acht Stunden am Stück gearbeitet habe.  Mein Eindruck, dass hier die Leistungsgesellschaft noch höher steht als in Deutschland, gilt erstmal nur für mein Unternehmen. Nachdem ich heute fünf Stunden nacheinander Online Sprachkurse gegeben habe, bin ich beim Warten auf Hiba auf dem Sofa eingepennt. Ich wurde mit den Worten geweckt: "Wach auf, wir sind hier in Tunesien, da arbeitet man 24 Stunden".

Generell habe ich in vielen Dingen das Gefühl, dass es hier ist, wie ich mir Europa vor 30 Jahren vorstelle. Und das meine ich in keinsterweise despektierlich. Mir wird vor allem bewusst, wie krass privillegiert wir auf unserem Kontinent sind. Neben den oben beschriebenen Punkten kommt noch ein großer dazu. Hier ist es Gang und Gäbe in den Innenräumen zu rauchen. In europäischen Ländern "kämpfen" wir darum, wer als erstes keine Raucher*innen mehr im eigenen Land hat. Die Realität hier ist einfach eine ganz andere. Es gibt größere Probleme, als den Menschen das rauchen abzugewöhnen.

So viel für heute. Ich habe SO viele Sachen, die ich hier gerne thematisieren würde und hoffentlich werde. Aber alles mit seiner Zeit :)

Sonntag, 06.08.2023

Motivation und Ankunft in Tunis

Hallo und willkommen 😊

Auf dieser Website möchte ich ein kleines Reisetagebuch führen, mit der Idee, regelmäßig ein paar meiner Erlebnisse und Erfahrungen hier in Tunis aufzuschreiben und euch so daran teilhaben zu lassen (und hoffentlich öfter, als damals in England...)

Für die, die es noch nicht wissen: Ich bin seit Donnerstag in Tunesien, in der Hauptstadt Tunis. Geplant ist, hier drei Monate lang ein Praktikum bei der Leipziger Firma Advanzioo zu absolvieren.

Meine Motivation

Kurz gesagt: eine spontane Idee und die Gewissheit, einen ziemlich langweiligen Sommer vor mir zu haben, da ich sowieso nicht groß Urlaub machen könnte. Ich hab die Ausschreibung auf der Praktikumsseite des Herder-instiutus der Uni Leipzig gelesen und fand vor allem den Standort Tunis sehr spannend. Dazu bringt es mich rein von den Inhalten in jedem Fall auch ein Stück weiter und ist sicher ein Beispiel dafür, wie vielseitig die Arbeit mit einem Abschluss in Deutsch als Fremdsprache sein kann.

Was ich ebenfalls spannend fand, waren die Reaktionen meiner Umgebung auf meine Idee, in ein arabisches Land zu gehen. Tunesien ist nun meine vierte Auslandserfahrung und egal ob Kanada, England oder die Niederlande: immer waren alle um mich herum begeistert: „wow“, „toll“, „wie schön“. Wenn ich von Tunis erzählt habe, gingen die meisten Reaktionen in eine andere Richtung. „Aha.“, „was willst du denn da?!“ oder auch ein Schweigen, in das sich alles rein interpretieren lässt.

Das zeigt also, dass die meisten Menschen in meiner Umgebung (egal ob jung oder alt) Vorbehalte haben, wobei die Gründe dafür natürlich vielfältig sind. Aber die allgemeine Skepsis gegenüber dem „arabischen Raum“ ist nicht zu übersehen. Genau das finde ich aber auch so spannend daran, nun hier zu sein und gleichzeitig habe ich natürlich auch Sorgen und Vorurteile in meinem Kopf. Ich möchte diese Vorurteile im besten Fall überwinden, meine eigene Erfahrungen machen und mir darauf basierend ein eigenes, neues Bild schaffen.

Letzte Vorbereitungen und Ankunft

Naja, natürlich hab ich mich kurz vor meinem Abflug dann doch wieder selbst für meinen Mut und meine Blauäugigkeit verflucht. Ich wusste ja, dass ich in ein sicheres Umfeld komme, in dem Sinne, dass sich Menschen hier um mich kümmern und ich erstmal nicht alleine bin. Aber abgesehen davon, hat es sich angefühlt, wie ein freier Fall ins Nichts. Weil ich keine Ahnung hatte, was ich nun hier vor Ort erwarten sollte. Ja, es ist Hochsommer, aber wie sinnvoll ist es, Sommerkleider mitzunehmen? Kann ich die hier tragen, fühle ich mich damit überhaupt wohl? Das unangenehme Gefühl in meinem Bauch wurde den Abend vor meiner Abreise in Leipzig immer größer.

Nach einem Zwischenstopp in München, ging es von dort aus Donnerstag früh zum Flughafen. Alles hat gut geklappt und um 11 Uhr Ortszeit bin ich in Tunis gelandet. Meine Chefin Hiba und weiterer Kollege haben mich mit dem Auto abgeholt. Anstatt wie eigentlich erwartet, habe ich keine eigene Wohnung, sondern wohne bei meiner Chefin mit in der Wohnung. Die wirklich klein ist, sie hat also ihr Schlafzimmer für mich geräumt und schläft nun selbst auf der Schlafcouch im Wohnzimmer. An sich bin ich sehr dankbar, am Anfang immer einen Ansprechpartnerin zu haben. Auf der anderen Seite bin ich null selbstständig (zumindest momentan noch nicht), da ich keinen Schlüssel habe und nirgendwo hinkomme ohne sie.

Erste Eindrücke

Nach vier Tagen hier kann ich zumindest so viel sagen: es ist alles anders als in Europa. Aber zumindest was meine Sorgen bezüglich der Kleidung angeht, bin ich schon beruhigt worden. Schon am Flughafen ist mir aufgefallen, wie vielfältig die tunesischen Frauen und Männer in ihrer Kleidungswahl sind. Von Kopftuch bis Minirock sieht man alles auf den Straßen, so dass ich mich in dreiviertel Jeans und T-shirt genauso wohl fühle, wie in Europa.

Die Stadt ist groß und hat ihre eigene Ordnung, auch wenn es auf den ersten Blick sehr chaotisch wirkt. Ansonsten ist es hier so heiß, dass ich die ersten Tage hauptsächlich die Räume von innen gesehen habe, Jalousien heruntergelassen und Klimaanlage an.